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Titel
Die Wittelsbacher. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart


Autor(en)
Körner, Hans-Michael
Reihe
C. H. Beck Wissen 2458
Erschienen
München 2009: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
121 S.
Preis
7,90€
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Menzel, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Die Geschichte der Wittelsbacher vom 11. bis zum 21. Jahrhundert zu schreiben, auf eng begrenztem Raum und ohne die Möglichkeit eingrenzender Fragestellungen, ist ein mutiges Unterfangen. Hans-Michael Körner ist sich der Risiken bewusst, bekommt das Ganze aber dennoch in sieben flüssig zu lesenden, strukturell zupackenden Kapiteln in den Griff. Gleich zu Anfang hilft er dem Leser über den populären Irrtum hinweg, wittelsbachische und bayerische Geschichte gleichzusetzen. Weit über die bayerischen Grenzen hinaus waren Wittelsbacher in kurfürstlichen, königlichen und kaiserlichen Funktionen im Reich sowie auf den Thronen Griechenlands, Ungarns, Dänemarks, Schwedens und Norwegens zu finden. Bayern war zwar das Kernland, mit der Stammburg Wittelsbach im Aichacher Land, doch die Dynastie war über die Jahrhunderte hinweg keineswegs regional, sondern europaweit aufgestellt.

Körner beginnt mit dem Kapitel „Das Königliche Haus im Freistaat“, in dem er die Stellung der Dynastie in Bayern seit 1918 gewichtet. Ohne sich dem Verdacht weiß-blauäugiger Schwärmerei auszusetzen, skizziert er die jüngeren Wittelsbachergenerationen als Persönlichkeiten, die den politischen Wandel nicht nur akzeptiert, sondern verantwortungsvoll begleitet und teilweise mitgestaltet haben. Im Vergleich mit anderen Territorien, deren staatliche Ordnung durch den Sturz der regierenden Häuser 1918 wechselte, sei in den Wittelsbachern geradezu ein „Glücksfall für Bayern“ (S. 20) zu sehen.

Von der Gegenwart wechselt Körner dann zu den historischen Anfängen. Mit dem Aufstieg zu bayerischen Herzögen 1180, dem Gewinn der Rheinpfalz 1214 und den diversen Landesteilungen von 1255–1506 unter den einzelnen Familienzweigen in München, der Pfalz, Landshut, Straubing und Ingolstadt wird das Mittelalter durchschritten.

Die Entscheidungen des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die Bayern in den Konfessionskämpfen beim alten Glauben bleiben ließen, sieht Körner trotz aller Skepsis gegen Geschichte machende Männer wesentlich in den großen Herzogspersönlichkeiten von Wilhelm IV., Albrecht V., Wilhelm V. und Maximilian I. begründet. Das Religionsmandat von 1522, das Konkordat von 1583, die schubweise Förderung der Jesuiten, die obrigkeitliche Durchsetzung der Marienfrömmigkeit und der militärische Sieg 1620 in der Schlacht am Weißen Berg über das Haupt der protestantischen Union, den „Winterkönig“ Friedrich aus dem pfälzischen Zweig des eigenen Hauses, bilden dabei die Etappen.

Die Zeit nach dem Westfälischen Frieden bis zum Ende des 18. Jahrhunderts beschreibt der Autor weniger unter dem gängigen Stichwort des staatlichen Absolutismus als vielmehr unter territorialpolitischen Vorstellungen. Der 1623 von der Pfalz nach Bayern transferierte Kurrang, die ein Vierteljahrhundert später zusätzlich restituierte pfälzische Kurwürde und die zeitweilig innegehabten geistlichen Kurfürstentümer Köln und Trier ließen die Wittelsbacher viel stärker dynastisch agieren und konkurrieren, als dass machtstaatliche Konzepte adäquate Beschreibungsmodelle böten. Körner zieht auch hier die personenorientierte Deskription vor.

Der Umgang der Wittelsbacher mit den Umwälzungen der Französischen Revolution und der napoleonischen Ära und das daraus resultierende Königreich Bayern bilden den Inhalt des nächsten Abschnitts. Die Krise des Gottesgnadentums, die in die Defensive geratene Monarchie und die Revolutionsfurcht führten zur konstitutionellen Monarchie, die im „Machtdreieck von Monarch, Volksvertretung und Ministerium“ (S. 75) ihre für das 19. Jahrhundert spezifische Ausprägung fand. Diese retrospektive Analyse markiert aber nicht den Gang der Ereignisse. Der wurde vielmehr vom Aussterben der altbayerischen Kurlinie 1777 und der Linie Neuburg-Sulzbach 1799 bestimmt, die von Birkenfeld-Zweibrücken beerbt wurde, der Linie der künftigen bayerischen Könige.

1806 wurde Bayern zur Monarchie. Mit der dramatischen Abfolge des hinter seinem Minister Montgelas zurückstehenden Max I. Joseph, des autokratischen Ludwig I., des akademischen Maximilian II., des schwärmerischen Ludwig II., des überbrückenden Prinzregenten Liutpold und des eher bürgerlichen Ludwig III. erreicht Körner wieder das Schicksalsjahr seiner Darstellung, das Ende der wittelsbachischen Herrschaft 1918. Die Revolution begründet er weniger mit einer Verschwörung gegen das herrscherliche Haus als mit der Kriegsverantwortung, die an der Monarchie hing und die ihren Autoritätsverlust bedingte.

Der Band bietet letztlich keine Neuigkeiten, sondern setzt Akzente. Hans-Michael Körner positioniert sich nicht mit neuen Ergebnissen in der Forschungslandschaft, er legt vielmehr einen so noch nicht existierenden, strukturell im Wesentlichen auf die Personen und die dynastischen Linien reduzierten Überblick vor. Er hat ein breites Publikum im Blick, was auch die Kürze des Literaturverzeichnisses und des Personenregisters zeigen. Körners „Wittelsbacher“ sind kein Nachschlagewerk und auch kein Handbuch, kein Gegenentwurf zu dem gleichnamigen Buch von Ludwig Holzfurtner von 2005, sondern eine angenehm zu lesende und mit ihren Helden zurückhaltend sympathisierende Kurzdarstellung.

Dem rezensierenden Mediävisten fallen Flüchtigkeitsfehler auf, die wohl der Preis sind, den der Autor und Experte für das 19. Jahrhundert für die epochenübergreifende Darstellung zahlt. Ludwig I. wird nicht am 6. Oktober 1214 mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein belehnt (S. 27), es handelt sich vielmehr um seine erste Erwähnung in diesem Amt, die Belehnung war früher. Auch darf der Zugewinn der Pfalz nicht unkritisch in der Konsequenz „unbedingte[r] Loyalität gegenüber […] der staufischen Sache“ (S. 26) gesehen werden; die Pfalz war welfisch, ihr Erwerb war während der wittelsbachisch-welfischen Allianz 1208–1214 eingefädelt worden, die Staufer legalisierten das Ganze lediglich als Lohn für die Rückkehr der Wittelsbacher auf ihre Seite 1214. Im Thronstreit Ludwigs des Bayern mit Friedrich dem Schönen 1314–1322 erhob das avignonesische Papsttum keineswegs den Anspruch auf die Schiedsrichterrolle (S. 34); Johann XXII. ignorierte vielmehr beide Gegenkönige, sprach von Thronvakanz und erhob Ansprüche auf ein eigenes päpstliches Reichsvikariat. Die fundamentalen Auseinandersetzungen Ludwigs mit der Kurie gingen daher auch nicht nach 1322 weiter, es gab sie bis dahin gar nicht, und sie begannen jetzt erst angesichts der Ausübung der vollen Königsgewalt durch Ludwig nach seinem Sieg im Thronstreit. Das sind Ungenauigkeiten, die nicht der Kürze der Darstellung geschuldet sind, sondern der mangelnden Präzision in dem mitzubearbeitenden weiter entfernten Stoff.

Körners Verdienst, einen strukturierten und leicht eingängigen Zugriff auf die komplizierte Geschichte der Wittelsbacher zu bieten, wird durch diese Petitessen aber nicht geschmälert. Er schreibt – wie gesagt – kein Handbuch, was ihm seine Leser bestimmt auch danken werden.